Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als die Linux Gemeinde ‘täglich’ fieberte, dass doch bald die große Linux Welle durch’s Land laufen müsste und M$ Windows weg spült. Naja, das fiebern hat etwas nachgelassen und ist einer pragmatischeren (wahr ist, was funktioniert) Sichtweise gewichen.
Trotzdem ist es immer wieder ein besonderes Gefühl, an dieser welt- weiten Linux Bewegung, in irgendeiner Form, teilzuhaben. Und so habe ich genügend Gelegenheiten bekommen, Linux Distributionen auf Workstation und Servern zu testen. Linux Installationen und Konfigurationen haben mehr als eine Stunde Zeit in meinen Leben gefressen. Andere Menschen machen eben Kinder…
Ubuntu MATE ist meine vorerst letzte Station in Sachen Linux und dieser change war auch eher aus der Not geboren. Ich hatte zuvor jahrelang Ubuntu mit Unity Desktop im Einsatz, setzte mich an meinen Rechner – nach einer Neuinstallation mit 16.04 lts und einigen Stunden Nutzung – und nach einer Anmeldung erscheint Nichts. Richtig, kein Menü, keine Icons, gar nichts. Nur mein Sternenbild strahlte mich an (der Desktop). Toller bug.
Ehrlich gesagt war der Wechsel dann eher eine Trotz- Reaktion: Monatelang basteln ‘die’ ein Linux zusammen und dann schaffen ‘die’ es noch nicht mal, dass der Desktop zuverlässig startet! Nach ein paar Recherchen im Internet hatte ich dann die Schnauze voll. (Ein setsid unity in einen Terminal baute mir die fehlenden Teile immer wieder zusammen…). Time for changing.
Mandatory (zwingend) war für mich, dass die nun folgende Distribution ohne Probleme mit zwei Monitoren umgehen kann. Keine besondere technische Auflage, aber das Internet ist voll mit Artikel zu diesen Thema. Ich liebe die Antworten ‘Bei mir gehts!’. Ich selbst hatte wochenlang damit gekämpft, einen DVi-19 und einen HDMI-4x Zöller zuverlässig an einer Grafikkarte mit einem Kubuntu zu betreiben. Irgendwo in diesen Blog findet sich noch ein Artikel dazu… Mit Gnome hatte ich vorher auch schon in dieser Sache gekämpft.
Ubuntu MATE hatte mir aber auf Anhieb optisch und von dem grundsätzlichen Anspruchs des Projekts gleich gefallen. Und bei aller Kritik an Ubuntu wollte ich auf die Ubuntu Plattform nicht verzichten. Und so schaute ich, welche Ubuntu’s es noch so gibt.
Die X- und L- Ubuntu’s sprachen mich optisch nicht an. LXDE installiere ich immer auf Server, wenn eine knappe Grafik gebraucht wird, z.B. für X2go. Im (bisherigen) XFCE fügen sich (gerade für eine Workstation) manche Anwendungen wirklich hässlich ein und da ich stundenlang am PC sitze, will ich auch eine ansprechende Optik! Cinnamon gefällt mir super – gibt es aber nicht als Ubuntu Distro.
Ubuntu MATE war damit in der engeren Wahl. Der download des Images und die Installation ist easy. Spassig finde ich Distributionen, die das setup immer verwirrender machen müssen, als es eigentlich sein muss. Sprache und Tastatur wählen, Partitionen, Zeitzone, erster User – nix spannendes, aber wie gesagt: einige Zielen durch den Rücken, aus der Brust, in das Auge. Natürlich bekommt Admina das trotzdem hin, aber mit Eleganz hat das nichts zu tun.
Ubuntu MATE bietet eine ansprechende Default-Optik, in den Grundfarben grau-grün gehalten und den Desktop mit einen klassischen Menü plus untere Taskleiste. Damit kann sofort gearbeitet werden. Wichtig ist mir immer, dass ich den Eindruck bekomme, dass etwas durchdacht ist, dass ich die Idee des Entwicklers erkenne, und ja, bei Ubuntu MATE ist die Idee klar! Hier mal ein paar Impressionen:
Allein die Zusammenstellung der installierten Software ist ohne Schnörkel, der Aufbau des Startmenü’s, die differenzierten Konfigurations- tools, der Willkommensassistent, alles clean und funktioniert flüssig. Besonders der Willkommensassistent hat mich begeistert (startklar in der oberen Menüleiste -> System -> Willkommen).
Diese Willkommen- Tralala knipse ich, wahrscheinlich wie andere User auch, immer gleich weg. Mit diesen Assistenten können aber unter dem Punkt ‘Erste Schritte’ alle Punkte geführt administriert werden, die Admina sowieso machen würde: die Sprachunterstützung vervollständigen, Codi (auch libdvdread4) und Treiber installieren, Tasten- Kombinationen einrichten oder nachlesen. Auch der Punkt ‘Systemspezifikation’ kann für eine schnelle Überprüfung der erkannten Hardware hilfreich sein. Also bei Willkommen diesmal nicht gleich abwinken….
Der Finale Test nach der Installation von Ubuntu Mate waren die zwei Monitore – wie oben erwähnt. Ich habe nicht mehr die Lust, stundenlang Versuche zu starten, dass zwei Monitore(!) auf der Erde am selben Rechner an einer Grafikkarte, relativ sofort und vernünftig an einen PC betrieben werden können. Und was soll ich sagen? Mit MATE ging es innerhalb einer halben Stunde. Hurra. Die Preisfrage ist nämlich: Auf welchen Monitor erscheint das Loginfenster? Das ist dann relevant, wenn einer der Monitore eigentlich immer ausgeschaltet ist, oder für eine andere Medienwiedergabe genutzt wird …
Vorgehensweise? Nach einer Anmeldung an MATE habe ich unter System -> Einstellungen -> Geräte -> Bildschirm den gewünschten Monitor ‘als primär festgelegt’. Diese Option steuert, auf welchen Monitor das Startmenü und die Leisten abgebildet werden. Nach einen Neustart war das Anmeldefenster weiterhin auf dem abgeschalteten Monitor. Wäre auch zu einfach …
Erst eine Änderung in /etc/lightdm/lightdm-gtk-greeter.conf.d/99_ubuntu-mate.conf stellte dauerhaft das Anmeldefenster auf den gewünschten Monitor:
active-monitor=1
Seitdem kann ich die Monitore linksrum oder rechtsrum anmachen und das Anmeldefenster erscheint immer auf meinen gewünschten (rechten) Monitor – vom Sofa aus gesehen.
Und jetzt erkläre mir mal einer, warum nicht ein dpkg-reconfigure in der abschließenden Konfiguration oder als Workaround angeboten wird, um den primären und die activen Monitore angeben zu können. Damit wäre das Thema ‘Multi-Monitor-settings’ doch vom Tisch!? Oder wie bei Ubuntu Unity das Anmeldefenster durch den Mauszeiger auf den Monitor gelegt wird, auf den der Mauszeiger gerade ist. Genial.
Wenn jemand sagt, schalte doch einfach den zweiten Monitor an: so schlau war ich auch, allerdings kann es in einen Unternehmen etwas komplexer sein, mal eben einen Monitor einzuschalten (z.B. Server- Räume, virtuelle Umgebungen, Sicherheitsauflagen). Oder stell’ Dir vor, deine Freundin schaut Fernsehen und Du willst ihn auf den PC- Modus umschalten, damit Du dich am PC anmelden kannst. Die Krise ist vorprogrammiert…
Oder ich spiele mal Trotzkopp: Als normaler Anwender, der von M$ Windows kommt und Linux sowieso doof findet, soll ich auch noch Lösungen für so einen Tralala finden?
Wie dem auch sei: Ubuntu MATE ist zur Zeit die richtige Wahl für mich und kann ohne rot zu werden, empfohlen werden. Selbst in Unternehmensumgebungen kann ich mir diesen schnörkellosen und gut sortierten Desktop super vorstellen.
Have fun …
PS. Einen sehr schönen und umfassenderen Artikel zu MATE (von 2015) findet sich hier. Besonders lesenswert finde ich auch die Kommentare.
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